Mit dem Laufrad durch die Straßen- wie bringe ich meinem Kind das Verhalten im Straßenverkehr bei?
Es ist schönes Wetter und jetzt macht unserem Kind das Spazierengehen umso mehr Freude, wenn es mit dem Laufrad nebenher flitzt. Doch spätestens wenn ein Kind laufen kann, ist man als Eltern nicht mehr ganz so ruhig und entspannt unterwegs, denn die ein oder andere Straße muss überquert werden. Noch größer ist das Thema, wenn ein Lauf- oder Fahrrad dabei ist, denn jetzt kann das Kind auch schnell ein Stück vorweg fahren. Das ist auch gut so, aber jetzt muss es wissen, wo es anhalten muss, wie es sich an der Straße verhält und wir müssen ihm vertrauen können. Doch wie bringen wir ihm das bei?

Da ist zum einen der Faktor Zeit. Kinder lernen nicht, indem wir ihnen die Dinge einfach erklären sondern sie müssen eingeübt werden. So bedeutet das für uns, dass wir einmal tief durchatmen, Hektik beiseite schieben und uns Zeit lassen. Wie schnell kommt es vor, dass wir unser Kind schnell über die Straße hinüber nehmen ohne richtig zu schauen? Für unseren Sprössling stellt die Straße keine Gefahr dar, denn er wird sicher von einer Erwachsenenhand auf die andere Seite gebracht ohne die Straße überhaupt bewusst wahrzunehmen. Nachdem wir also tief durchgeatmet haben, müssen wir unser Kind auf die Straße aufmerksam machen. Man könnte nun dazu neigen, in aller Ausführlichkeit die Gefahren zu beschreiben. Doch was bringt das? Zum einen begreift ein Kleinkind unsere Erklärungen noch gar nicht und zum anderen entwickelt es daraus nur Angst vor der Straße. Ein notwendiger Respekt vor den Autos ist sicherlich wichtig, aber damit allein kann ein Kind nichts anfangen. Es wird höchstens Straßen meiden oder diese so schnell wie möglich überqueren ohne richtig zu schauen. Im schlimmsten Fall nach dem Motto „Augen zu und durch“ (vgl. Plattner E. 2000, S. 21 f.)

Der beste Weg ist also, das Verhalten im Straßenverkehr geduldig einzuüben. Kinder wollen die Regeln dieser Welt begreifen. Ähnlich wie bei einem Brettspiel werden sie ohne große ausführliche Erklärungen eingeübt. Genauso funktioniert dies im Straßenverkehr. Bei jeder Straße halten wir gemeinsam an und schauen nach links, nach rechts und wieder nach links. Und erst wenn alles frei ist, kann die Straße überquert werden. Es ist egal wie lange wir dafür brauchen, wichtig ist nur, dass unser Kind dies verinnerlicht.
Elisabeth Plattner beschreibt in ihrem Buch "Die ersten Lebensjahre - Eine Hilfe im Umgang mit kleinen Kindern" ein sehr treffendes Beispiel wie eine solche Situation im Straßenverkehr ablaufen kann.
Endlich ist die Straße erreicht. Da ist die Ampel. "Sie ist rot, da muß man warten", sagt die Mutter. Der Bub läßt keinen Blick davon. Da! Jetzt wird sie grün! Das Kind zieht seine Mutter hinüber und seufzt auf, als sie glücklich drüben sind. An der nächsten Querstraße ist keine Ampel. "Da muß man selber sehen, ob ein Auto kommt- nach links, nachts rechts, dann wieder nach links", sagt David, als sei er es, der seine Mutter belehren müsse, und als wüßte er, was rechts und links ist. Die Mutter lächelt, nimmt sein Händchen und zeigt dann nochmals nach links- nach rechts - und wieder nach links. Da kommt tatsächlich ein Auto. So lange haben sie gewartet! David schüttelt sich vor Lachen, und die Mutter läßt sich anstecken. Das bißchen prickelnde Angst, die er in der ersten Straße vor den vielen Autos empfunden hatte, ist im Lachen untergegangen. (Plattner E. 2000, S. 22)
Ich stelle mir bei unseren Überquerungen vor, wenn meine Tochter allein unterwegs wäre, wie schnell könnte sie die Straße überqueren? Dadurch erhalte ich noch einmal ein ganz anderes Zeitgefühl. Denn während ich vorher noch schnell über die Straße gegangen wäre, weil ein Stück weiter hinten erst das nächste Auto kommt, warte ich nun lieber dieses noch ab. Das erfordert auch von mir immer wieder jede Menge Selbstdisziplin, denn wie oft gibt es dann doch die Situationen in denen man gestresst ist oder schnell noch etwas erledigen möchte. Aber an so einer Stelle inkonsequent zu handeln und doch die rote Ampel zu überqueren, ist für ein Kind nicht begreiflich und sorgt nicht dafür, dass es irgendwann selbstständig den Straßenverkehr meistern kann. Gleiches gilt auch für Situationen in denen das Kind verträumt über die Straße vornweg flitzt ohne anzuhalten und an die eingeübten Regeln zu denken. Auch wenn uns vielleicht manchmal die Nerven fehlen, bis ins kleinste in solchen Situationen konsequent zu sein, hilft nochmal der Vergleich mit einem Brettspiel—hier erfinden wir auch keine neuen Regeln um schneller nachhause zu kommen oder ignorieren sie einfach, weil das gerade bequemer ist.
Quellen
Elisabeth Plattner: Die ersten Lebensjahre, Eine Hilfe im Umgang mit kleinen Kindern, Urachhaus Verlag, 27. Auflage, 2000, S. 21ff
Michael Winterhoff: Die Wiederentdeckung der Kindheit, Wie wir unsere Kinder glücklich und lebenstüchtig machen. Verlagsgruppe Random House GmbH, 4. Auflage, 2019, S. 129 f.