Eltern wollen den besten Lernfortschritt schon im Säuglingsalter
Schon immer haben Kinder gespielt. Schon in den allerersten Aufzeichnungen unserer Menschheit lassen sich Gegenstände ausmachen, die man als Spielzeuge deklarieren könnte. Je tiefer wir in das Thema eintauchen, umso offensichtlicher zeigt sich die große Bedeutung des Spielens für die Entwicklung des gesunden und vor allem intelligenten Menschen. Daher stellt sich nun berechtigter Weise auch die Frage, ob mein Kind von ganz allein wichtige Kompetenzen erlernt oder ich als Erwachsener früh gezielte Bereiche fördern muss. Ich glaube diese Frage stellen wir uns als Eltern ganz automatisch. Es gibt inzwischen so viele Meinungen und Wertungen zum Bereich der Kindesentwicklung.
Als mein erstes Kind ein Jahr alt wurde, habe ich ihm zum Geburtstag einen Sortierwürfel geschenkt. Das war ein großer Holzwürfel in dem verschiedene geometrische Bauklötze waren, die man von außen in die dafür vorgesehenen Löcher stecken sollte. Auf der Altersbeschreibung stand 12 Monate. Da ich mein Kind für sehr schlau hielt, wollte ich ihm natürlich auch genügend Input vermitteln, um die angelegten Potentiale weiter zu entfalten. Tatsächlich jedoch kam mein Geschenk anders an als ich dachte. Mein Töchterchen verwendete die Bausteine zum Verpacken, Bauen oder Stapeln. Gerne wurde auch der Deckel geöffnet und alle Bausteine im Inneren des Würfels verstaut. Immer wieder zeigte ich ihr, wie es richtig geht aber sie hatte schlicht kein Interesse daran. Im übrigen sind meine zwei weiteren Kinder mit diesem Würfel nicht anders verfahren. Das heißt, hier stimmte etwas mit diesem Spielzeug und seiner Altersangabe ganz und gar nicht. Natürlich stellt man sich schnell die Frage, warum kann mein Kind das nicht? Muss ich etwas üben mit ihm?
Woher kommt die Begeisterung zur frühen Förderung unserer Kinder?
In unserer modernen Welt hat sich ein Glaube eingeschlichen, dass Kinder möglichst früh gefördert und an die wirkliche Lebenswelt herangeführt werden müsse, um in der heutigen Leistungsgesellschaft bestehen zu können. Doch woher kommt dieser Glaube?
Kinder kommen mit unglaublich großen Potentialen auf die Welt. Durch die Fortschritte der Gehirnforschung wurde Eltern gezeigt, dass die von Geburt an angelegten Potentiale in Kindern sehr schnell wieder verloren gehen, wenn sie nicht angewendet werden.
Ein Kind kann bspw. "..., sensibel zwischen den Lauten aller Sprachen der Welt unterscheiden." (vgl. André F. Zimpel, Spielen macht schlau, 2015, S.17.)
Das verführt natürlich zur Annahme, man müsste möglichst früh die angeborenen Talente fördern und stärken.
Nicht zuletzt glauben viele Eltern, dass sie durch die Förderung im Säuglingsalter mit Frühfördergruppen, Lerncomputern oder gezielten Spielzeugen für kognitive und motorische Fähigkeiten, dazu beitragen könnten, dass ihre Sprösslinge später einen höheren Bildungsabschluss anstreben können.
Das wird uns natürlich auch schon beim Kauf eines Spielzeuges suggeriert. Viele Verpackungen beschreiben die unglaublichen Fähigkeiten, die dieses Spielzeug unseren Kindern vermitteln wird. Und wer kann da wiederstehen? Unser Elternherz wünscht sich für unseren Nachwuchs nur das Beste.
Nur was ist eigentlich das Beste?
Das Frühfördergruppen oder spezielle Spielzeuge unser Kind intelligenter machen ist ein Irrglaube. Jede Intelligenzleistung beruht nach Dr. Andrè Frank Zimpel auf der sozialen Intelligenz. Diese wieder wird in den sogenannten Rollenspielen erworben, in denen Kinder in andere Rollen hineinschlüpfen. Ebenso wird nachhaltiges Lernen mit Emotionen verknüpft. Das heißt, alles was wir mit Freude und Faszination lernen bleibt uns erhalten. Den Rest blendet unser Gehirn wieder aus. Auch mit Angst und unter Druck lernen wir, da durch das Stresshormon unsere Aufnahmefähigkeit immens hoch ist. Jedoch verknüpfen wir das Gelernte auch hier mit der Emotion und verlieren nach Abrufen der gewünschten Informationen (wie nach einer Prüfung) sämtliche gelernten Inhalte oder verdrängen diese auch gern.
Das bedeutet, dass wir unserem Kind einen enormen Wissenszuwachs gewähren können, indem wir es mit Freude an den Dingen spielen und experimentieren lassen, worauf es Lust hat.Es ist nicht wichtig, dass es die geometrischen Figuren in das passende Loch befördert. Wenn es daran Interesse hat, wird es das von alleine ausprobieren. Das Kind lernt jedoch auch eine ganze Menge über Form, Farbe, Gewicht oder Größe, indem es die Figuren betrachtet und in den Händen wiegt.
Die Etappen der Entwicklung
Die kindliche Entwicklung verläuft nach immer dem gleichen Muster.
Im ersten Lebensjahr widmet sich das Kind ganz ausschließlich der Aufrichtung in den Stand und dem Erleben der Welt durch den Mund. Die sogenannte orale Phase ist Eltern in den ersten 18 Monaten allgegenwärtig. Alles kommt in den Mund und kaum hat das Kind gelernt seinen Bewegungsradius zu vergrößern, ist nichts mehr sicher. In dieser Phase ist noch gar keine Zeit für Abstraktionsleistungen.
Im zweiten Lebensjahr ist es die Sprachentwicklung, die Dominat ist. Die Kinder beginnen all die Wörter zu sprechen, die sie nun ein Jahr gehört und bewusst in sich aufgesogen haben. Sie versuchen die Worte in ihrer Umwelt einzusetzen und testen die Reaktionen. Auch die Bewegungsentwicklung nimmt weiter Fahrt auf.
Im Weiteren Verlauf der Kindheit kommen immer mehr Bereiche hinzu, wie die Auseinandersetzung im sozialen Bereich, die Erweiterung des kognitiven Wissens durch unzählige Fragen oder die Geschicklichkeit im Bereich der Motorik. Nun verbinden Kinder die Erfahrungen aus der oralen Phase im Spiel und wenden die gelernten Dinge an. Dabei fällt einem Kind nun von ganz alleine auf, welche geometrische Figur es in welches Loch stecken muss. Alleine, weil es die Figuren so intensiv untersucht hat.
Das zeigt uns: Alles hat seine Zeit. Das Kind, wenn man es lässt, widmet sich ganz Schritt für Schritt den wichtigen Bereichen seiner Entwicklung und feilt daran. Jedes Kind geht dabei anders vor, denn jeder bringt andere Voraussetzungen mit. Manch einer überspringt im Eiltempo die Bewegungsentwicklung und hält sich dafür länger im Bereich der Sprache auf. Bei einem anderen kann es ganz anders verlaufen. Es lohnt sich also nicht das eine mit dem anderen zu vergleichen. Sie alle wissen intuitiv was sie benötigen. Alle benötigen einfach genügend Freiraum, um sich auszuprobieren.
Und was ist nun unsere Aufgabe?
Wir können unser Kind freilich unterstützen, indem wir für Bewegungsspielräume, sprachanregende Umgebungen und Austausch mit anderen Kindern sorgen. Wir können es beobachten und schauen, was es benötigt, um an seinem Bereich im eigenen Tempo zu feilen. Und natürlich gehören auch die altersentsprechenden Spielzeuge dazu. Diese aber in Maßen.
Vor allem dürfen wir wieder lernen Geduld und Vertrauen in das Tun unserer Kinder zu legen. Sie müssen nicht im gleichen Tempo wie ein anderes Kind lernen. Jedes Kind wird auch in der Schulzeit eine andere Herangehensweise entwickeln, um Lerninhalte aufzunehmen. Gewähren wir ihm jetzt die Zeit auf seine Art zu experimentieren und zu spielen, wird es auch später schnell zu einer geeigneten Methode finden und vor allem die Freude am Lernen von Neuen Themen nicht verlieren.
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Literatur:
Zimpel, André Frank, Spielen macht schlau, Gräfe & Unzer Verlag, 2015.
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