top of page
Geschwister

Streit unter Geschwistern

Das ist MEEIIIINNNNEEE!!!

Ein Verhalten, was uns Erwachsene immer wieder an unsere Grenzen bringt.

Kaum ein Tag vergeht, an dem sich Geschwister nicht in die Haare bekommen und absichtlich das Spiel des Anderen zerstören, sich anschreien oder sogar handgreiflich werden. Manchmal bringt uns Eltern das ganz schön an unsere emotionalen Grenzen. Besonders wenn größere Kinder, den Kleineren wehtun und dabei körperlich völlig überlegen sind.


Immer wieder treibt einen auch die Frage um, ob das eigene Kind besonders aggressiv ist.

Tatsächlich gibt es wohl keinen Haushalt in dem dieses Verhalten im Kleinkindalter ausbleibt.

Meist resultiert das aggressive Verhalten aus einer Frustrationsituation, Streit um Besitztümer oder dem Gefühl mangelnder Aufmerksamkeit der Eltern.


Sigmund Freud schrieb einmal, dass der „Aggressionstrieb“ in jedem Menschen angelegt ist und dazu dient die eigenen Interessen durchzusetzen.


Den Umgang mit diesen Gefühlen müssen Kleinkinder erst lernen. In den ersten drei Lebensjahren sind sie sich nicht als Teil einer Gemeinschaft bewusst, sondern nehmen sich selbst als Zentrum wahr.

Daher ist es unsere Aufgabe als Eltern, ihnen zu zeigen, wie man mit unliebsamen Situationen umgeht. Natürlich darf man Aggressionen gegenüber Mitmenschen nicht dulden und hoffen, dass Kinder ihre Probleme alleine klären. Das können sie in dem Alter nämlich noch nicht. Immer wieder stoße ich in der Literatur oder Foren darauf, dass Eltern glauben Kleinkinder würden den Umgang mit Konflikten alleine lernen. Das Gegenteil ist der Fall. Im Grunde lernt das stärkere Kind sich zu nehmen was ihm beliebt und das Schwächere lernt ständig zurückzustecken. In beiden Fällen sorgt es für Frustration. Auch das stärkere Kind lernt keinen Umgang mit seinen Gefühlen und kann sich so in keine Gemeinschaft einleben. Für Jüngere bedeutet es häufig ein langer Leidensdruck, der aggressive Gefühle anstaut, bis sich ein Ventil findet. Für ein Zusammenleben in der Familie, das Zusammenwachsen der Geschwister und der Umgang mit gleichaltrigen Freunden ist dies absolut hinderlich.

Es ist ein Lernprozess, der dazu führt sich in andere Menschen hineinzufühlen, sich verbal zu äußern und Grenzen unserer Gesellschaft einzuhalten. Das gelingt nur mit Geduld. Immer wieder muss man diese Situationen miteinander durchspielen. Wir Eltern sind dabei Wegweiser. Wir zeigen ihnen Auswege aus der Situation, indem wir im Gespräch mit ihnen Hilfestellung leisten.

Zum Beispiel bei der dreijährigen Tara:„Wenn du nicht möchtest, das Lisa (1) deinen Teddy nimmt, dann sagst du das nächste Mal dass du gerade mit dem Teddy spielen möchtest und gibst ihr vielleicht ein anderes Kuscheltier.“ Es ist wichtig dem Kind zu helfen eine Lösung zu finden.

Es darf nicht sein, dass ein größeres und stärkeres Kind allein durch seine körperliche Überlegenheit den Kleineren alle Spielsachen aus der Hand reißt und diese immer unglücklich zurücklässt. Ebenso falsch ist es aber auch, wenn das größere Kind gerade in seinem Spiel vertieft ist und vom jüngeren Geschwisterchen immer wieder unterbrochen wird, weil es bspw. den gerade mühsam errichteten Turm wieder umwirft. Hier müssen beide Parteien lernen sich aufeinander einzulassen und Rücksicht zu üben, denn nur so werden es Menschen die mit ihren Gefühlen umgehen lernen, sich in eine Gesellschaft einfügen und Empathie zeigen können.

Häufig ist man vom Verhalten der eigenen Kinder so geplättet, dass man sie im ersten Impuls am liebsten einfach nur anschreien würde. Gerade das willkürliche Verhalten des Zerstörens einer geliebten Sache des Geschwisterkindes oder das aggressive körperliche Verhalten macht Eltern oft fassungslos. Das geht uns allen so. Dennoch bringen lange Standpauken, Strafen und Anschreien nur bedingt Besserung. Das Kind wird in dem Moment eingeschüchtert, lernt jedoch nicht wie es sich in künftigen Situationen anders verhalten kann.

Um diesen Impuls zu unterdrücken, sollte man sich kurzweilig aus der Situation nehmen, entweder tief durchatmen und von 5 runter zählen, ein Glas Wasser auf einen Zug austrinken oder einfach kurz aus dem Raum gehen. Jeder kann hier seine eigene Methode finden. Sinnvoll ist es allerdings, diese Methode vor den eigenen Streitsituationen für sich selbst festzulegen, um dann einfach darauf zurückgreifen zu können.

DSC02558.JPG

Streit unter Geschwistern- Was können Eltern tun?

Streit ist eine Lernsituation. Wie für alles in der Kindheit brauchen die Kleinen gute Vorbilder. Von Geburt an bringen Kinder einen Nachahmungstrieb mit und beobachten jede Mimik, Gestik und Handlung bei ihren Bezugspersonen, um diese nachzuahmen.

Genauso ist es mit dem Streit. Kinder werden genau wie wir von ihren Gefühlen übermannt. Der Unterschied zwischen uns Erwachsenen und unserem Nachwuchs besteht darin, dass wir gelernt haben mit unseren Emotionen umzugehen. Kinder sind diesen Gefühlen oft hilflos ausgeliefert und wehren sich handgreiflich oder aggressiv verbal.


Auch wenn wir uns als Eltern einfach ein bisschen mehr Frieden und freudvollen Umgang unter Geschwistern wünschen, so ist die Auseinandersetzung mit Konflikten wichtig, um gesellschaftliche Normen wie Moralentwicklung (Fairness, Gerechtigkeit und auch Teilen) zu lernen. Es braucht immer aufs Neue Wiederholungen, bis Kinder verinnerlicht haben, wie sie sich verhalten können und dürfen.

Tatsächlich lernen Kinder Emphatieverhalten erst ab etwa vier Jahren. Das bedeutet, dass sie zuvor geistig noch nicht in der Lage sind, sich in eine andere Person hineinzufühlen. Den Blick dafür können sie durch unsere Hinweise jedoch schon sehr früh dafür schulen. Bis zum sechsten Lebensjahr dauert es, bis Kinder die Emphathiefähigkeit voll ausgebildet haben und auch danach handeln können. Auch der Unterschied zwischen absichtlichem und versehentlichem Handeln wird erst in diesem Alter nachvollziehbar.


Was können wir nun als Eltern bei Streitereien tun?


Zu erst einmal sollte man die Intensität des Streites einschätzen. Wenn Kinder nur Zanken- also ein harmloser Wortwechsel stattfindet, müssen wir nicht zur Seite stehen. In der Regel, klärt sich das alleine.

Wichtig ist, bei realen Streitereien präsent zu sein und vor allem dem ersten Impuls, energisch oder aggressiv zu reagieren, entgegenzuwirken. (kurz tief einatmen, von 5 runterzählen, ein Glas Wasser schnell austrinken,...)



  • Wir nehmen uns Zeit- besonders bei unter Dreijährigen ist in der Regel Zeit erforderlich, um das Problem zu verstehen und reagieren zu können

  • Die Kinder beruhigen

  • Das agressive Kind darauf aufmerksam machen, dass es dem anderen wehgetan hat und dass wir auch in ärgerlichen Situationen nicht handgreiflich werden, sondern lieber Hilfe holen

  • Die Kinder, wenn möglich die Situation erklären lassen und dabei keine Stellung beziehen

  • Die Situation noch einmal durchsprechen und evtl. korrigieren lassen: z.B. "Also, habe ich das richtig verstanden? Colin hat dir den Bagger weggenommen und dann hast du ihn gehauen, weil du dich geärgert hast?" Auch Kinder die noch nicht oder kaum kommunizieren können, verstehen was wir sagen.

  • Eine Lösung erarbeiten : Zum Beispiel: "Richard wollte also auch mit dem Bagger spielen, aber den hattest ja du gerade. Wir schauen mal, ob wir einen anderen Bagger oder ein Lastauto für Richard finden. Vielleicht könnt ihr dann ja sogar zusammen spielen. Und hauen gibt es bei uns nicht. Du kannst mit Colin sprechen und ihm sagen, dass du den Bagger gerade hast und damit spielen möchtest. Wenn das nicht klappt, dann rufst du mich und ich helfe dir."

  • Die Streitlösung gemeinsam umsetzen


Bei größeren Kindern variieren die letzten beiden Punkte. Ältere Kinder sind in der Lage schon eigene Lösungsvorschläge zu machen und diese eigenständig umzusetzten. Nur wenn wir merken, dass sie noch nicht in der Lage sind diese Punkte alleine umzusetzen, bleiben wir auch hier dabei und helfen. Das geschieht so lange, bis es alleine klappt.


Was mache ich, wenn Kinder in ihrer Wut zu keiner Lösung fähig sind?


Dann ist es wichtig etwas Raum zu schaffen, um die Gemüter abkühlen zu lassen. Wichtig ist, dass wir kommunizieren, dass sich alle erst einmal ein bisschen beruhigen und schon einmal überlegen wie man den Streit klären kann. Hierbei ist es manchmal auch sinnvoll das wütende Kind ein paar Minuten für sich zu lassen und es zu bitten, wenn es sich beruhigt hat, zu uns zu kommen, damit der Streit geklärt wird.

Niemals darf man es unter den Tisch fallen lassen, aber in einer stark aufgehitzten Situation ist jede Lösungsmöglichkeit vergebene Liebesmüh und kommt auch nicht von Herzen. Auch Kinder, die einen Streit angezettelt haben, fühlen sich besser, wenn wieder Harmonie herrscht.

DSC02492.JPG

Streit unter Geschwistern- Entschuldigungen, die von Herzen kommen

Steitsituationen unter Geschwistern sind oft ungerecht und häufig auch sehr aggressiv. Besonders, wenn ein Kind dem anderen sehr wehgetan hat, ist es schwer, bei sich selbst zu bleiben und die Ruhe zu bewahren. Was wünscht man sich als Eltern mehr, als das sich das Kind dann von Herzen entschuldigt und beteuert so etwas NIE wieder zu machen?

Ja diesen Wunsch kenne ich auch- aber leider funktioniert das so nicht.

Für kleine Kinder ist das Wort "Entschuldigung" wie viele andere Worte und es kann die Bedeutung noch gar nicht zuordnen. Zwingt man ein Kind, einen Streit mit dem Wort "Entschuldigung" zu beenden, so lernt es dabei, dass es sich durch das schnell hingemurmelte Wort aus jeder unangenehmen Affaire ziehen kann. Es lernt aber nicht, wie schmerzhaft und falsch sein Handeln für das Gegenüber war, geschweige denn die Situation in Ordnung zu bringen.

Wichtig ist vielmehr, beide Kinder zu beruhigen und einen Moment abzuwarten, bis die Gemüter wieder abgekühlt sind. Danach ist es sinnvoll dem Kind, welches handgreiflich oder zerstörend war zu unterstützen die Sache wieder in Ordnung zu bringen.

Ein Turm, der mutwillig kaputt gemacht wurde, wird wieder aufgebaut. Ein Spielzeug, was in seine Einzelteile zerlegt wurde, wird gemeinsam repariert. Kinder müssen lernen, dass man Dinge wieder in Ordnung bringen kann und muss.

Bei schmerzhaften Handgreiflichkeiten wird zuerst immer das angegriffene Kind auf den Arm genommen und beruhigt. Anschließend wird dem anderen Kind deutlich gemacht, dass es solch ein Verhalten bei uns in der Familie nicht gibt. "Hast du gesehen, wie weh du Colin getan hast? Das darfst du nicht machen. Wenn dich etwas ärgert, sagst du, was du nicht möchtest oder rufst mich, damit ich dir helfe."

Einmal liebevoll streicheln oder den Schmerz wegpusten, hilft bei kleinen Kindern immer und sorgt auch für das aggressiv gewesene Kind für Entspannung, denn schließlich wollen wir ja, dass sie liebevolle und zugewandte Menschen werden. Dennoch müssen wir darauf achten, dass das Geschwisterkind die Sache auch bereinigen will. Ein Kind zu zwingen, das andere zu streicheln oder lieb zu haben ist genau so sinnvoll wie es zu einer unfreiwilligen Entschuldigung zu bringen.


Auch wir Erwachsenen sind hin und wieder ganz schön ungerecht zu unseren Kindern. Manchmal liegen die Nerven einfach plank und es fällt schwer bei jeder Situation gelassen zu bleiben. Das ist menschlich. Schließlich haben wir neben dem liebevollen Blick auf unsere Kinder auch noch eigene Bedürfnisse und Befindlichkeiten, die durch Kinder eh schon ganz schön in den Hintergrund geraten. Trotzdem können wir in gerade solchen Situationen, wo wir ungerechterweise laut geworden sind, oder etwas übersehen als Vorbild wirken und uns für unser Verhalten entschuldigen. Kinder dürfen ruhig wissen, dass auch wir Fehler machen aber bereit sind, diese auch einzugestehen und wieder gut zu machen. Ein liebevoller Blick und eine Erklärung entspannt viel und gibt allen ein besseres Gefühl. "Du Colin, es tut mir leid, dass ich eben so laut geworden bin. Ich bin heute sehr müde und habe gar nicht richtig hingeschaut. Es hat nichts mit dir zu tun."

Kleines Mädchen, das im Sand spielt

Streit unter Geschwistern- müssen meine Kinder alles teilen?

An manchen Tagen sitzen wir beim Nachmittagssnack und meine große Tochter teilt mit ihrer Schwester und mir einen Joghurtbecher. Es gibt kein Gemecker, kein "du hast aber mehr" oder argwöhnische Blicke. An anderen Tagen reißen sich die Mädchen alles aus den Händen und keiner gönnt der anderen ein Spielzeug.

Wie ist das mit dem Teilen? Ein Thema, was mich schon sehr lange beschäftigt. Unter Geschwistern ist das Teilen von Spielsachen besonders in den ersten Lebensjahren ein Dauerbrenner.


Warum ist das so?


Der Kinderarzt Remo H. Lago beschreibt dieses Phänomen mit der Emphathiefähigkeit (Theory of Mind). Das ist die Fähigkeit sich in Mitmenschen hineinzuversetzen, eine Fähigkeit über die nur der Mensch verfügt.

In den ersten drei Lebensjahren sind die Kinder in hohem Maße Ich- bezogen. Das heißt, ihre Gefühle, Bedürfnisse und auch das Denken stehen an erster Stelle. Es ist für sie noch nicht nachvollziehbar, dass Mitmenschen auch Bedürfnisse haben. Erst im dritten Lebensjahr beginnen Kinder sich in andere Menschen hineinzufühlen. Das ist jedoch ein Prozess, der einige Zeit andauert. Mit der zunehmenden Sprachentwicklung im vierten Lebensjahr lernen sie ihre Gefühle zu beschreiben und auszudrücken. Auch das ist hilfreich, um die Emotionen anderer Menschen wahrzunehmen. Doch bis ein Kind voll Emphathiefähig ist, vergehen einige Jahre. Somit ist es für Kleinkinder noch nicht so einfach zu erkennen, dass auch das Geschwisterchen ein Bedürfnis nach dem gleichen Spielzeug hat, wie es selbst. Auch das Teilen ist daher ein Akt, der eher aus dem Bedürfnis resultiert, den Erwartungen der Eltern gerecht zu werden.

Ist es sinnvoll Geschwisterkinder dazu zu zwingen oder sie zu überreden, ihre Sachen zu teilen?


Wenn Kinder ins Spiel vertieft sind und plötzlich das Geschwisterchen genau das Gleiche braucht, wird das andere Kind aus dem Spiel gerissen und versteht nicht, warum es nun das Spielzeug abgeben muss. Das führt zu einem Gefühl der Ruhelosigkeit.

Wenn bspw. die Regel gilt, jeder darf 5 Min. mit dem Spielzeug spielen, kommen unsere Kinder in kein vertieftes Spiel. Immer herrscht die Angst, dass schon jemand auf das Spielzeug wartet.

Da Kinder noch kein Zeitgefühl haben sondern in der unmittelbaren Gegenwart leben, werden sie neben dem spielenden Kind auf und nieder laufen und warten und nörgeln, bis die Eltern das Signal zum Tausch geben. Das wird ganz automatisch zu einem Dauerkonfliktpotenzial führen und zu keinem selbstbestimmten Spiel.

Getauscht wird spätestend am nächsten Tag


Es ist daher sinnvoll die Regel zu ändern. Gibt es Spielsachen, die sehr beliebt sind, braucht es klare Regeln, wer wann und wie lange spielen darf.


Als Eltern haben wir das Ziel, dass Kinder sich in ein Spiel vertiefen können. Dazu muss der Druck herausgenommen werden, dass ein Spielzeug sofort an das Geschwisterchen abgegeben werden muss, wenn dieses auch das Bedürfnis danach verspürt.

In diesen Situationen kann man gemeinsam mit dem Kind nach einem ähnlichen Spielzeug suchen, sodass vielleicht sogar ein gemeinsames Spiel stattfinden kann. Nicht immer gibt es das jedoch und das Augenmerk ist genau auf die Sache des Geschwisterchens gerichtet, das selbst Ablenkung schwer Abhilfe schafft.


Die Autorin von: "Geschwister als Team" Nicola Schmidt empfiehlt, das man das fordernde Kind ermuntern sollte, das Geschwisterchen danach zu fragen, wann es mit dem Spielzeug spielen darf.

Da Kinder bis zum Vorschulalter noch kein Zeitgefühl haben, kann je nach Alter der Kinder die Antwort jedoch auch sehr unpräzise ausfallen. (z.B. "im nächsten Jahr", "an Weihnachten",...) Dennoch wird für das fordernde Kind klar, dass es zum Ausdruck gebracht hat, dass es auch gerne mit dem Spielzeug spielen möchte und als nächstes an der Reihe ist.


Wir als Eltern helfen dem Kind dann zu warten, bis es dran ist oder suchen gemeinsam ein anderes Spielzeug oder eine Ersatzbeschäftigung.

Das entspannt für alle Kinder die Situation, denn jeder weiß, dass er das Spielzeug so lange haben kann, bis er sich einer anderen Sache widmet oder bis er es nicht mehr benötigt.

Müssen Herzensdinge geteilt werden?


Bei vielen Kindern gibt es Lieblingsspielsachen. Bei meiner großen Tochter ist es der Teddy. Den liebt sie seit sie ihn bewusst wahrnehmen kann. Sobald ihr Schwesterchen dieses Kuscheltier in die Hände bekommt, schreit sie wie am Spieß. Sie ist wie mit dem Bärchen verbunden und kein anderer darf sich in dessen Nähe begeben. Wir haben für unsere kleine Tochter auch einen Teddybären besorgt, sodass das Konfliktpotenzial etwas gemindert wird.

Stellen wir uns als Erwachsene einmal vor, es kommt jemand und möchte unser Smartphone oder Portmonee auch gerne einmal benutzen. Das würde bei uns Gefühle von einer Bandbreite des Entsetzens bis hin der Wut und Entrüstung auslösen. Schließlich gehören diese Dinge uns und beinhalten sehr private Angelegenheit. Wir sind nicht bereit alles mit allen zu teilen. Und das ist auch in Ordnung so.

Das zeigt aber auch, dass es unseren Kindern mit ihren Lieblingsdingen genau so geht. Es ist daher nicht richtig sie zu zwingen, ihre Herzensdinge mit anderen teilen zu müssen.


Natürlich ist es sinnvoll festzulegen, dass z.B. das Kind, welches das Spielmaterial zuerst genommen hat maximal bis zum Abendessen damit spielen kann und am nächsten Tag ein Tausch erfolgt. So wird klar, dass jeder das Recht hat mit dem Spielzeug zu spielen, aber auch die Zeit bekommt, die er braucht um sich hingebungsvoll seinem Spiel zu widmen.

An solchen Stellen, bietet es sich an, dem Geschwisterkind ein ähnliches Kuscheltier oder Spielzeug zu schenken. Das hilft auch unserer großen Tochter, denn sie kann der kleinen Schwester den zweiten Teddybären im Tausch zu ihrem geben. Dadurch enden diese Konflikte wesentlich seltener mit Tränen.


Natürlich kann man nicht jedes Spielzeug doppelt anschaffen. Das ist auch gar nicht notwendig. In der Regel ist das geforderte Spielzeug nur interessant, so lange der andere gerade damit spielt. Hier hilft, dass man mit dem Kind etwas ähnliches sucht oder es auf eine andere Sache aufmerksam macht. Manchmal kann man das Kind auch aus der Situation herausholen, in dem man es für eine gemeinsame Mama-Kind oder Papa-Kind-Sache begeistert. Meist entspannt sich die Lage dann und jeder findet wieder in ein eigenes Spiel.


Mit zunehmenden Alter werden diese Streitigkeiten um das gleiche Spielzeug sich in andere Bereiche verlagern oder auch ganz alleine geklärt und das gemeinsame Spiel wird immer mehr in den Vordergrund rücken.


Durch Streit entsteht Nähe...


Wenn man von Streit unter Geschwistern spricht, denken wir recht schnell an die negativen Seiten. Natürlich, denn sie sind das Offensichtliche, das Nervtötende und auch das Verletzende.


Dennoch ist jeder Streit, egal um welches Detail es geht, ein wichtiges Puzzleteil in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.

Durch Auseinandersetzung entsteht Nähe. Man lernt sich und sein Gegenüber intensiver kennen.

Vor kurzen habe ich ein Kapitel im Buch: "Die Hedwig Formel" der norwegischen Psychologin Hedwig Montgomery zu Streitigkeiten unter Geschwistern gelesen.

Sie beschreibt, dass Geschwister, die als Kinder sehr intensiv streiten, als Erwachsene sehr vertraut miteinander sind. Sie kennen sich und ihre Eigenheiten einfach sehr gut. Tatsächlich bin auch ich mit mehreren Geschwistern aufgewachsen. Ich kann mich an viele Situationen erinnern, die wir durchgefochten haben und dennoch stehen wir heute alle beieinander und würden für den anderen durchs Feuer gehen.

Und was kann schöner sein, als Menschen an seiner Seite zu wissen, die einen so gut kennen, wie sonst keiner?




Quellen und weiterführende Literatur:


Remo H. Lago: Babyjahre, Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren, Piper Verlag, 18. Auflage, 2016, S. 125ff


Hedwig Montgomery: Die Hedwig Formel für glückliche Kleinkinder, Rowohlt Polaris Verlag, 2019, S.205f


Natalie Klüver: Willkommen Geschwisterchen, Trias Verlag, 2017


Nicola Schmidt: Geschwister als Team, 3. Auflage, Kösel Verlage, 2018 Sabrina Heinke, Ziemlich beste Geschwister, Humbold Verlag, 2020


Christiane Kutik: Erziehen mit Gelassenheit, 6. Auflage, Freies Geistesleben, 2018

bottom of page