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Die Phasen der Sprachentwicklung Teil 5: Das Sprachgenie vertieft sein Wissen(2 bis 3 Jahre)

Aktualisiert: 12. Aug. 2020


Das Wissen wird ausgebaut

Im Alter von 2 Jahren verfügt das Kind über 200 Billionen Neuronen in seinem Gehirn. Das sind doppelt so viele wie ein Erwachsener. Jetzt beginnt es, alles was für seine Muttersprache wichtig ist, auszubauen und zu vertiefen. Unwichtiges wird nicht weiter verfolgt und die Nervenbahnen dazu nicht weiter ausgebaut. Wichtiges hingegen wird geübt und das Nervennetz dafür immer stärker. Sogar das Gehör richtet sich auf die Sprachmelodie der Muttersprache aus und hört sie intensiver als andere Sprachen.


Der Wortschatz steigt rasant

Zu Beginn dieser Phase versteht das Kind ungefähr 200 bis 400 Wörter und kennt nun nicht nur die Begriffe für Gegenstände sondern auch Wörter, die etwas über diese Sachen aussagen, zum Beispiel, dass die Banane gelb ist oder ein Ball rund usw. Zu seinem 3. Geburtstag versteht es dann schon mehr als 2000 Wörter. Es versteht nun auch die Personalpronomen wie "ich", "du", "er"... und die Wörter wie "mein", "dein", "unser"... sowie die ersten Fragewörter. Sprechen kann es in dieser Zeit schon mehr als 500 Wörter.

Immer mehr Laute kommen hinzu

Während es um seinen zweiten Geburtstag die Laute "p","f","l" und "v" (wie Welt) sprechen kann und die Laute "b" und "n" in den Wörtern schon richtig verwendet, kann es am Ende des dritten Lebensjahres alle Konsonanten bis auf "sch", "s "und "ch" richtig aussprechen. Und verwendet alle bis auf "k","ch" und "sch" sowie Konsonantenverbindungen wie beispielsweise "pf" oder "kl" im Wort richtig.

Fehler mit System- die Zunge hilft sich

Nicht sofort kann das Kind die Laute richtig aussprechen oder im Wort verwenden, doch es stürzt sich mutig in die Sprache und hilft sich selbst um ein Wort aussprechen zu können. Typisch dafür ist zum Beispiel, dass das Kind die Konsonanten in einem Wort alle vorne bildet zum Beispiel sagt es: „ hab die Tanne demalt“ und meint „ hab die Kanne gemalt“. Um diesen Satz richtig aussprechen zu können, muss die Zunge Akrobatik leisten. Sie muss als erstes hinten das „k“ sprechen und danach blitzschnell an den Zähnen das n bilden. Das ist reine Übungssache für die Zunge und am Anfang ist sie einfach noch nicht so schnell. Also hilft sie sich indem sie die Bewegungen die sie schon kann einfach verwendet und bei "Kanne" und "gemalt" einfach alles vorne bildet. Kann das Kind zum Beispiel schon das "s" sprechen, aber noch nicht das "sch" dann nutzt es für alle Wörter mit "sch" einfach an dieser Stelle das "s". Es sagt also "Ich hab die Sachtel (Schachtel) bemalt. Oder es lässt Konsonanten, die es noch nicht sprechen kann einfach erst einmal weg und sagt beispielsweise "Wir haben gepielt (statt gespielt)." Je geübter die Zunge wird, desto mehr werden die Wörter richtig ausgesprochen. Wer meint, dass dies dem Kind unangenehm ist, der täuscht sich. Kinder haben Freude an Fehlern, sie testen sie einfach aus und merzen sie nach und nach aus. Ein Ausruhen auf dem Gelernten gibt es für sie nicht – sie gleichen ihre Sprache immer weiter an die der Erwachsenen an. Das Einzige was ihre Sprechfreude hindern könnte, wären Verbesserungen oder AUfforderungen von uns die Wörter richtig zu sprechen.


Die Grammatik wird wichtig

Hat das Kind ein gewisses Wörterrepertoire erworben so scheint es sich zu sagen, mit meinen jetzigen Sätzen komme ich so nicht weiter und macht sich auf den Weg die grammatischen Strukturen unserer Sprache zu verstehen. Wenn wir diese Aufgabe vor uns hätten so würden wir mit unserem Verstand versuchen ein System hinter der Grammatik zu erkennen, was in der deutschen Sprache wie wir wissen gar nicht so einfach ist. Kinder machen es sich gar nicht so schwer. Sie imitieren und lernen das was sie vorfinden. So sagen sie beispielsweise bei den Einzahl und Mehrzahlwörtern nicht „Ah das ist jetzt also das Wort für die Einzahl und das andere für die Mehrzahl“ Nein sie lernen einfach beide Wörter, als wären es verschiedene Dinge und wenden sie munter unterschiedlich an z.B. ein Hunde, viele Haus usw. Hat es dann aber erst einmal sein Augenmerk auf die grammatischen Strukturen unserer Sprache gelegt, so macht es sich wie ein Forscher daran selbst die kleinsten Unterschiede zu hören. Meist beginnt es mit den Dingen die es am meisten hört und probiert sie aus. Es lernt mit etwa 2 Jahren, dass Verben im Satz an die zweite Stelle gehören, zum Beispiel:


„Die Katze trinkt“ „Der Hase schläft“...

Es weiß, dass Verben gebeugt werden- also dass sie sich zur Person im Satz verändern:

Mit ca. 1 ½ Jahren Oma malen

Mit 3 Jahren Oma malt

Auch, dass sich Verben in der jeweiligen Zeitform verändern, weiß es nun. Zum Beispiel wie sich das Verb verändert, wenn es etwas Vergangenes erzählt:

Ich habe Wasser getrunken

Auch Verneinungen kann es nun bilden, wie zum Beispiel:

Hund schläft nicht“.

Nun kann es auch schon Fragen stellen und dabei Fragewörter wie "Wann", "Wohin", "Was" usw. verwenden. Und schon wieder muss es einen Unterschied lernen, dass bei einer Frage das Verb auch nach vorne rutschen kann wie zum Beispiel Kommst du?“Malst du?"

Fehler mit System

Nun gibt es in unserer Grammatik nicht eine Regel die immer gilt sondern viele viele Ausnahmen. Und die müssen erst einmal alle durchschaut werden. Aber mutig wie unsere Kinder nun einmal beim Sprechen lernen vorgehen, verwenden sie die Form, die sie am häufigsten hören erst einmal auf alles an. Dann heißt es zum Beispiel:

Mehrzahl: Ich hab viele Wassers mitgebracht

Gebeugtes Verb: Der Hund schlaft noch

Zeitform (Vergangenheit): Die Katze trinkte

Die Katze hat getrinkt

Wenn ihr eurem Kind einmal genau dabei zuhört, erkennt ihr in seinen Äußerungen ein System, was es für sich erkannt hat und erst einmal auf alles anwendet. Nach und nach lernt es die vielen kleinen Ausnahmen weiter kennen und feilt seine Sprache immer weiter aus.




Wie unterstütze ich die Sprachentwicklung in dieser Phase?

In dieser Phase beginnt das intensive Fragealter. Um ein Gespräch mit dem Kind muss man sich eigentlich gar nicht mehr bemühen, denn das Kind hat so viele Fragen, dass es kaum eine Redepause kennt. Und während es anhand seiner Fragen versucht die Welt zu verstehen, lernt es nebenbei mit unseren Antworten, wie unsere Sätze aufgebaut sind. Unsere Aufgabe dabei ist es, alles was uns von einem Gespräch mit unserem Kind ablenkt einmal beiseite zu legen,sich die Zeit zu nehmen und geduldig zu antworten.


Reime, Lieder, Sprachspiele und Geschichten

Mit unseren Gesprächen und natürlich auch wie wir auf unsere Sprache achten, sind wir schon Sprachvorbild genug an dem unser Kind lernen kann.

Wenn du deinem Kind jedoch Momente schaffen möchtest, in denen es die Schönheit und das Besondere seiner Muttersprache spüren kann, dann solltest du mit deinem Kind singen, Sprachspiele spielen oder gemeinsam Geschichten lesen. In diesen Bereichen lernt dein Kind wie man mit Sprache spielen kann, wie man Quatschwörter und Quatschgeschichten entstehen lassen kann, wie sich unsere Wörter reimen. Es spürt den Rhythmus und die Melodie unserer Sprache, der dabei viel mehr betont wird. Selbst einzelne Laute werden darüber mehr gelernt, weil sie in Sprüchen betont werden. Ein Beispiel dafür:

Kommt ein Mäuschen

Kommt ein Mäuschen,

will ins Häuschen,

da rein, da rein, da rein.

(Volksgut)

Hier werden vor allem die Laute "äu" und "ei" verwendet. Auch schwierigere Laute können durch die Sprachspiele spielerisch vertieft werden, wie zum Beispiels die Lautverbindung "ts" in


Mieze, muze, Kätzchen

Mieze, muze, Kätzchen,

sammetweiche Tätzchen,

seidenweiches Fellchen,

kritze, kratze, Krällchen.

Ach wer hätte das gedacht,

nimm vor Katzen dich in Acht.

(Marianne Graff)


Anhand von Geschichten entsteht ein viel größerer Schatz an Wörter, als die die wir im alltäglichen Gespräch bieten könnten. Zu Beginn des dritten Lebensjahres mögen die Kinder kleine Geschichten, meist mit Bildern illustriert. Diese dürfen im Laufe der Zeit gerne auch länger werden. Wie lange eine Geschichte für dein Kind sein darf, zeigt es meist selbst, indem es unaufmerksam wird. Mit dem dritten Geburstag lauscht euer Kind auch gerne Geschichten ohne Bildern, denn nun entstehen die Bilder anhand der Wörter im Kopf. Es wird alle frei erfundenen Geschichten oder auch vorgelesene Geschichten lieben.



Quellen:

Dhorn, Christel: Spiel mit mir Sprich mit mir. Spiele zur Sprachentwicklung vom Kleinkind bis zum Grundschulalter. Verlag freies Geistesleben. Stuttgart. 2002


Näger, Sylvia: Literacy. Kinder entdecken Buch-, Erzähl- und Schriftkultur. Herder Verlag. Freiburg im Breisgau. 2017. 6. Auflage


Patzlaff, Rainer: Sprache das Lebenselixier des Kindes. Moderne Forschung und die Tiefendimension des gesprochenen Wortes. Verlag freies Geistesleben. Stuttgart. 2017

Wendlandt, Wolfgang: Sprachstörungen im Kindesalter. Thieme Verlag. 1995

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