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Im Zwiespalt zwischen Trotz und fremden Reaktionen Teil 2

Aktualisiert: 12. März 2021

Wir bekommen über den Nachmittag und Abend Besuch. Meine Mädchen sind ganz aus dem Häuschen und helfen fleißig bei den Vorbereitungen. Der Tisch wird liebevoll gedeckt, der Kuchen zugeschnitten und endlich hören sie die Klingel. Das Kaffetrinken beginnt sehr entspannt.

Plötzlich fällt meiner Großen ein, dass sie das Stück Kuchen mit der blauen Kerze haben möchte. Blöderweise ging das nun gerade an ihr Schwesterchen und steht nicht mehr zur Verfügung. In Null Komma Nichts entsteht eine wütende Schreiattake und nichts kann das Kind bremsen. Wir versuchen es mit Ablenkung, Alternativen, aber sie WILL JETZT DIESES Stück Kuchen.

Während wir als Eltern entnervt um eine Lösung bemüht sind, wird es um uns herum still. Unsere Besucher wechseln entrüstete Blicke und man spürt mit jeder Faser die Verständnislosigkeit über das Verhalten unserer Tochter und damit auch gegenüber unseren Erziehungsmethoden. Während wir gerade noch dabei sind die Nerven zu bewahren und die entspannte Essenssituation wieder herzustellen, schleicht sich ein ungutes Gefühl der Ablehnung und des Versagens in unser Unterbewusstsein.


In der Trotzphase werden die Reaktionen aus dem Umfeld deutlich

Gerade in der Phase des aufsteigenden Trotzes werden die Reaktionen unseres Umfeldes immer deutlicher.


Wo vorher noch Bestätigung und Zuspruch über das süße und liebe Kind herrschten, gesellen sich nun Kritik am Verhalten der Eltern und ungefragte Erziehungstipps. Nicht selten sind wir Eltern sowie so schon am Rande des Nervenzusammenbruchs und ertragen gut gemeinte Hinweise schwer. Zumal man manchmal gar nicht so viel an dem Gefühlschaos unserer kleinen Erdenbürger ändern kann. Meist wissen sie ja selbst gar nicht, was sie eigentlich wollen und die Wucht der Gefühle bricht wie ein kleiner Vulkan aus ihnen heraus. Da sie sich aber schon gut äußern können und in vielen Bereichen so selbstständig wirken, führt es schnell zum Unverständnis bei Außenstehenden, warum das Kind sich so unvernünftig verhält. Tatsächlich kann es manchmal gar nicht anders.


Dazu lohnt es sich, einen kleinen Blick in den Aufbau unseres Gehirns zu wagen. In emotionalen Situationen können Kinder noch nicht überlegt reagieren. Woran liegt das?



Kindliche Reaktionen sind impulsiv, weil sich das Gehirn erst ausbilden muss

Das limbische System im Gehirn ist für unsere Emotionen zuständig. Dies ist ein komplexer Bereich von eng vernetzten Hinarealen, die unser Gefühlsleben regulieren und verarbeiten.

Das limbische System ist der ältere Teil unseres Gehirns und zwischen Großhirnrinde und Hirnstamm zu finden. Der Hirnstamm kontrolliert und reguliert alle lebenswichtigen Bereiche unseres Körpers, wie Atmung, Verdauung oder den Herzschlag.

Der größte Bereich der Großhirnrinde bildet den Neocortex. Von ihm wird das limbische System umschlossen und ist für das analytische Denken verantwortlich. Dadurch können wir Situationen abwägen und abschätzen, welche Handelungen sinnvoll sind.

Nach der Geburt ist das limbische System ausgebildet. Das bedeutet, Babys können von Anfang an Gefühle wahrnehmen und instinktiv darauf mit Mimik oder körperlichen Reaktionen reagieren.

Der Neocortext ist beim Neugeborenen ebenfalls vorhanden aber noch nicht besonders gut vernetzt.



Erst in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt schult sich der Neocortex. Jede Erfahrung, die das Kind macht, vernetzt das limbische System stärker mit dem Neocortex. Daher sind die Reaktionen unserer Kinder noch sehr impulsiv und refelxartig. Erst mit zunehmender Lebenserfahrung werden diese gefühlsgesteuerten Impulse durchdachter und kontrollierter.

(vgl. Susanne Mierau: ICH! WILL! ABER! NICHT!, S. 20ff)


Es allen recht zu machen, macht das Leben schwer

Susanne Mierau schreibt in ihrem Buch: Ich! Will! Aber! Nicht!, dass wir uns das Leben als Eltern manchmal selbst schwer machen, da wir es immer richtig machen wollen und somit anderen auch gefallen wollen. Dieses Verhalten würde aus unserer Kindheit stammen, in der wir immer wieder angehalten wurden, uns nach den Wünschen anderer zu richten.


Das trotzende Kind braucht bedingungslose Liebe und Verständnis

In dieser Phase des kindlichen Trotzens braucht unser Nachwuchs jedoch viel mehr Unterstützung von uns, als wir annehmen. Das bedeutet auch, dass wir lernen müssen uns von den Meinungen außenstehender Personen zu distanzieren und auf unser Bauchgefühl zu hören, was unser Kind gerade braucht. Es hilft ihnen bei einem Trotzanfall wenig, wenn wir uns nur darauf konzentrieren, was die anderen um uns herum denken könnten.

Manchmal hilft es, wenn man sich klar macht, dass die anderen Menschen nur eine Momentaufnahme unseres Lebens wahrnehmen. Wer kennt schon die Umstände in der Familie und die Dinge die das Kind umtreiben besser als die eigenen Eltern?



Gerade in dieser nervenaufreibenden Zeit ist es nicht leicht immer über dem ablehnenden Verhalten anderer drüberzustehen. Zumal es auch stark an unseren Kräften zehrt.

Der Alltag mit Kindern in der Trotzphase ist stressig und genau in solchen Momenten, wo wir selbst keine Kraft mehr haben, neigen wir dazu ungünstige Erziehungsmethoden wie Schimpfen, Strafen und Bloßstellen zu nutzen. Doch gerade in dieser Zeit braucht unser Kind viel mehr unsere Liebe und Zugewandtheit, als wir es glauben. Sie brauchen das Gefühl, dass wir sie bedingungslos lieben und für sie da sind. Das heißt natürlich nicht, dass sie keine Grenzen mehr erfahren sollen aber sie benötigen unserer Hilfe bei der Regulation ihrer Gefühle, bis sie es selbst können.


Sich selber Auszeiten schaffen und ehrlich über den Alltag reden zu können entlastet

Um entspannt durch die Trotzphase zu kommen und Hinweisen über unsere Art als Eltern entgegenzuwirken, benötigen wir Auszeiten, Unterstützung und Menschen mit denen wir ehrlich erzählen können.



Je ehrlicher wir manchmal mit den tatsächlichen Situationen im Alltag umgehen, umso schneller werden auch andere Eltern ehrlich und berichten von ganz ähnlichen Situationen. Wir alle sitzen im gleichen Boot, ob wir wollen oder nicht.


Zeit als Paar schafft Abstand und neue Kraft

Ab und zu einen Abend als Paar zu gestalten, kann hilfreich sein, um wieder Abstand zu gewinnen und Kraft zu tanken.


Struktur im Alltag sorgen für Entspannung bei den Kindern

Eine gute Wochen- und Tagesstruktur hilft ebenso, sowohl Eltern als auch Kindern sich im Alltag zu orientieren. Weniger spontane Ausflüge, dafür mehr klare Ansagen und innere Vorbereitung helfen den Tag zu entspannen und vorhersehbar zu machen.



Literartur: 
Susanne Mierau, Ich! Will! Aber! Nicht!: Die Trotzphase verstehen und gelassen meistern, GU Verlag, 2017.

Gertrud Teusen, Das Trotzalter: Rat für Eltern in der schwierigen Zeit, Ravensburger Verlag, 1999.

Monika Kiel-Hinrichsen, Warum Kinder Trotzen, Urachhaus Verlag, 6. Auflage, 2013.

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