Kinder lieben es lustige Spuren auf dem Papier zu hinterlassen und mit Farben zu experimentieren. Dabei zeichnen sie zu Beginn wilde Kritzelein, die mit zunehmendem Alter immer spezifischer werden.
Seit der Kindergarteneingewöhnung bei meiner Tochter sehe ich, wie sehr das Malen ein Ausdruck für all die Eindrücke ist, die ihr den ganzen Tag begegnen. Während zuvor das Blatt Papier eher mit kleinen Klitzeleien bemalt wurde, sieht man jetzt große und vor allem wilde Kreise, die in rasender Geschwindigkeit das ganze Blatt füllen. Häufig werden die Kreise um ein Element in der Mitte gezeichnet, als wären sie eine Schutzmauer durch die nichts hindurchdringen kann. Selbst die Farbwahl hat sich verändert. Wo früher eher helle Farben die Gemälde bestimmten, sieht man im Moment dunkle Rottöne, schwarz oder blau.
Gleichzeitig beobachtet ich diesen Ausdruck auch in anderen Bereichen unseres Alltags. Liebend gern werden gerade Zäune, Höhlen und kleine Verstecke gebaut, in denen ein enger Rückzugsort und vor allem ein Ort der Geborgenheit stattfinden kann. Selbst im Bettchen werden Kuschelpullover und Decken von mir zum einkuscheln eingefordert, als würde man den ohnehin nicht übermäßigen Platz noch mehr einschränken müssen, um wieder eine Begrenzung zu spüren.
Veränderungen, besonders im Bereich des Loslösen fordern von unseren Kindern viele Seelenkräfte. Häufig spürt man in allen Bereichen, wie viel Kraft in solchen Prozessen gefordert ist. Umso wichtiger ist, dass wir als Eltern ganz wachsam sind und gut beobachten, was das Kind braucht, um die neue Situation Schritt für Schritt zur Normalität werden zu lassen. Dabei braucht jedes Kind ein anderes Ausdrucksmittel. Für den einen ist es sinnvoll sich körperlich zu verausgaben, während ein anderer eher den kreativen Ausdruck mit den Händen durch malen, kneten, matschen oder bauen sucht.
All diese Formen des kindlichen Ausdruckes sind ein Ventil, um Emotionen zu verarbeiten, für die das Kind im Moment noch gar keine Worte kennt. Daher hilft es durch genaue Beobachtung herauszufinden, was dem Kind gut tut und Räume zu schaffen, in denen es sich in seinem Bereich betätigen kann.
Wir haben es uns inzwischen zum Ritual gemacht, jeden Abend in der Aufräumzeit auch den Kindertisch mit neuem Papier zu bekleben, Stifte zu spitzen und einladend hinzulegen, sodass am nächsten Tag direkt nach dem Kindergarten die Möglichkeit besteht zu malen und Erlebtes zu verarbeiten.
Wie es funktioniert, Kinder einfach malen zu lassen und was dazu nötig ist, werden wir euch in ein paar Tagen durch einen Gastbeitrag von der Künstlerin Bärbel Bitterlich vorstellen.
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