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Selber probieren- Fähigkeiten entwickeln- Erfahrung gewinnen

Gastbeitrag von Jens Bitterlich (Pädagoge)


Vom Umgang mit unmittelbaren Erfahrungen


Kinder sind wahre Künstler im Bauen von Türmen, Burgen oder Tiergehegen. Immer wieder fällt ihnen etwas Neues ein und sie erweitern ihr Bauwerk. Dazu können sie eine Vielfalt an Materialien verwenden und einbinden. Doch woher kommt dieser Ideenreichtum? Reicht es, wenn ich Kindern einen großen Bausteinkorb vorsetzte oder Baumaterialien in Form von Stecksystemen?


Auf einem Markt sah ich wunderschön geschliffene und gewachste Naturhölzer. Manche waren in der Mitte getrennt, so dass eine Seite eben und glatt wurde. Andere blieben von der Form her unbehandelt. Die Hölzer lagen gut in der Hand waren aber zum Teil schief und uneben. Wie Hölzer in der Natur nun eben so sind. Aber was die kleinen Baumeister, denen ich diese Art Bausteine aufschwatzte, am meisten ärgerte: Die Dinger ließen sich nicht so einfach aufeinander legen. Im Gegenteil es musste genau durchdacht werden was sich womit und vor allem wie zusammenfügen ließ.


Dieses Spielen unterschied sich schon sehr von dem mit den gleichmäßig geschnittenen quaderförmigen Holzklötzchen oder erst von den Bausteinen, die sich durch ein ausgeklügeltes System von Stück und Gegenstück zusammenstecken ließen.

Meine Naturbauteile verlangten dagegen einiges an Ideen, ein Hineindenken, Probieren und auch ein großes Maß an Frustrationstoleranz.

Mitten im schönsten Gestalten stürzte der ganze Komplex mit Getöse ein. Die kleinen Baumeister hatten soeben einige Grunderfahrungen in Statik gewonnen.

Ganz nebenbei und doch so wichtig für das Leben im 21. Jahrhundert vollzog sich eine Schulung von Grundfähigkeiten, wie Durchhaltevermögen, Ausdauer, den Willen ein Ziel zu erreichen, Phantasie und Kreativität. Alles Fähigkeiten deren Schwinden wir im Alltag sehr beklagen.

Ein Tag im Wald machte das später noch deutlicher. Die Kleinen bauten mit Eifer Höhlen, schleppten Fundholz heran, stapelten, legten, versuchten andere bessere Varianten. Die Zeit da draußen verging wie im Fluge, keines der Kinder fragte die Frage aller Fragen: „Und was soll ich jetzt machen?“ Fast handgreiflich war dagegen eine Atmosphäre spürbarer Zufriedenheit.

Um jetzt keine pädagogisch ideale Modellvorstellung zu verbreiten.

Standen später alle drei Arten der Bausteine Natur, Quaderhölzer oder Stecksysteme zu Verfügung, griffen die Kinder keineswegs sogleich nur auf die Naturhölzer zu…


Mit der Zeit jedoch vereinten sich die Baumaterialien und wurden in ihren Bauwerken allesamt eingebunden. Besonders die Naturmaterialien fordern unsere Kinder heraus. Manchmal kann ich noch Erwachsene hören, denen man als Kind viele Naturbausteine zur Verfügung stellte, wie sie sich über diese schiefen und krummen Teilchen beschweren. Und doch muss ich immer wieder sagen, sind diese Menschen häufig richtige Meister geworden im Ausklügeln der verrücktesten und schönsten Bauwerke. Irgendetwas muss ihnen dieses Bauen wohl doch mitgegeben haben.


Weitere Artikel von Jens Bitterlich findet ihr auch unter www.schulberatung-bitterlich.de

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